Historisches

der Deal

Das Autorenduo

Hermann Alexander Beyeler & Gerd J. Schneeweis

historische Folge:

Zeitraum: 22. September 1533 – 27. Oktober 1792

/1. Der Deal…

Warum hat Michelangelo so massiv gegen die Regeln der Ikonografie verstoßen und in der Darstellung seines Freskos zum “Jüngsten Gericht“ die beiden weltlichen Herrscher (Kaiser Karl. V. und Papst Clemens VII. „portraitiert“?

Sein „Konspiratives“ Treffen mit Papst Clemens VII. in San Miniato al Tedesco (in der Nähe von Pisa) bringt Licht ins Dunkel.

 

Am 22. September 1533 treffen sich Michelangelo und Papst Clemens VII. zum letzten Mal persönlich in San Miniato al Tedesco.  (es ist der  gleiche Ort, in dem Michelangelo 1529 für die Republik in Florenz die Kirche durch Bau von Kriegswaffen verteidigte)

Der Papst begleitet seine Großnichte, Caterina de Medici Heirat zur im Oktober 1533 geplanten Hochzeit mit Heinrich von Orleans, dem zweitältesten Sohn des französischen Königs Franz I. San Miniato al Tedesco ist nur ein kleiner Zwischenstopp auf dieser beschwerlichen Reise von Rom nach Nizza.

Das Gefolge zu dieser Hochzeit ist immens groß: 43 Schiffe, 1 Papst, 13 Kardinäle

*

Bei diesem (letzten) Treffen mit dem Papst geht es für Michelangelo um „Alles oder Nichts“. Nämlich den für ihn  bedeutsamen Auftrag zur weiteren Ausmalung der Sixtina mit dem Wandfresco und der Darstellung des „Jüngsten Gerichts“. Michelangelo will diesen Auftrag unbedingt erhalten, Clemens VII. jedoch verlangt für die endgültige Erteilung des Auftrages Ungeheuerliches von Michelangelo:

Die Beweggründe für die Forderung von Papst Clemens VII: Er sieht sich in der Hochzeit von Catarina de Medici mit dem potentiellen Französischen Thronfolger am Ziel seiner Träume: schon immer erhob Clemens VII. den Anspruch, geistiges Oberhaupt der gesamten Welt zu sein. Diesen Anspruch festigt er nunmehr mit der Vereinigung seiner Person mit dem mächtigen und reichen König von Frankreich, Franz I.

Durch die Hochzeit (mit dem Hause Medici) hatte Clemens sich dieses Mal endgültig für ein Bündnis mit Frankreich und somit gegen Kaiser Karl V. entschieden. Dort sah er zukünftig die weltliche Großmacht, die  er mit seinem Anspruch, geistige Großmacht zu sein, verbunden hatte.

Nur mit den der Medici eigenen „Bankiersmethoden“ war er, Giulio de Medici so im Oktober 1523 vom Konklave zum Papst Clemens VII. gewählt worden. Nach der einfachen Formel: „alles (und jeder) hat seinen Preis“, erkauften sich die Medici kurzerhand  mit ihm erneut ihren eigenen Papst. 1000 Dukaten wurden jedem Kardinal versprochen, damit er „im Namen des Herrn“  seine Stimme an Giulio de Medici gab. Wären die biederen Kardinäle auch gute Kaufleute gewesen, sie hätten sicher ein Vielfaches dieser Summe heraushandeln können. Die widerborstigen Colonna jedenfalls blieben hart. Da bedurfte es gar eines ganzen Palastes in Rom, den Kardinal Colonna als „Geschenk“ für seine Stimme erhielt.

Auch in der rückblickenden Betrachtung seines langen Pontifikates muss Clemens VII. viele Fehler erkennen. Fehler von weitreichender Bedeutung, die klar erkenn lassen, dass er (dieser Papst) den eigentlichen Aufgaben seines Amtes nicht gewachsen war. Die Fähigkeit, die ihm übertragene Macht zu beherrschen und damit die Geschicke des Vatikans zu lenken, fehlt ihm offenbar völlig: Clemens VII. ist ein Zauderer zwischen den Fronten. Er ist kein Herrscher, sondern er wird beherrscht von seiner eigenen Wankelmütigkeit, Entscheidungen zu treffen und diese konsequent zu Ende zu führen.

Insbesondere sein intrigantes Spiel mit der ständig wechselnden Zuneigung zu den beiden mächtigsten weltlichen Herrschern seiner Zeit, Kaiser Karl V. und Franz I., die er „geschickt gegeneinander ausspielen will“, scheiterte er kläglich. Clemens VII. weiß in der Tiefe seines Inneren, dass einzig er alleine an der Plünderung Roms die Schuld trägt. Der „Sacco di Roma 1527“ war nichts anderes als ein an ihn persönlich gerichteter „Denkzettel“ von Karl V., den er nie in seinem Leben vergessen hat. Viele Monate war er, der Papst danach sein eigener Gefangener in der Engelsburg gewesen, bevor er sich für eine hohe Summe freikaufen und in den Vatikan zurückkehren konnte.

Die immer nur von seiner persönlicher Gier und Machthunger gekennzeichnete egomanische Politik des Vatikans bringt ihm immer wieder neue Probleme, die er unfähig ist, zu lösen. Letztendlich aber war sein größtes Problem immer noch die unterschiedlichen Machtinteressen Kaiser Karls V. und dem König von Frankreich, Franz I., auf dessen Seite er sich jetzt durch die Hochzeit seiner Großnichte Caterina de Medici geschlagen hatte.

Er wusste nur zu genau, dass Karl V. strikt gegen diese Hochzeit war. Aus purer Angst vor Kaiser Karl V. aber hatte der ständig zwischen den Fronten jonglierende Papst diesem die jetzt in Kürze vollzogene Hochzeit verschwiegen. Mittlerweile zweifelte selbst er daran, ob es klug war, Karl V. vorzugaukeln, er verhandele immer noch mit dem Herzog von Mailand über dessen Vermählung mit Catarina.

Clemens VII. ist beim Treffen mit Michelangelo also geplagt von der Angst vor weltlicher Macht und vor dem Gottes Zorn am Tage seines nahenden Todes. Hinzu kam die Erkenntnis seiner eigenen Fehler und seiner eigenen Unzulänglichkeit als Papst. Völlige Zerrissenheit empfand er aber vor allem angesichts seiner in wenigen Tagen folgendem Vollzug seiner Entscheidung, Catarina mit dem Sohn des französischen Königs zu verheiraten. Immer wieder wurde ihm in langen Albträumen diese unumstößliche Tatsache, als seine möglicherweise größte Fehlentscheidung vor Augen geführt. Hier hat er ständig die schreckliche Rache von Karl V. zu fürchten, den er getäuscht und hintergangen hat.

Nichts hatte er aus der Tatsache gelernt, dass er den „Sacco di Roma“ zu verantworten hatte. Es half ihm wenig, dass die Menschen in Rom dieses Desaster als „Strafe Gottes“ für das lotterhafte Leben im Vatikan ansahen. Nein, jetzt war er es, der die Strafe Gottes fürchten musste! Clemens VII. verzehrte sich vor Angst vor dem weltlichen und dem göttlichen Herrscher, die er beide schwer getäuscht hat und deren Strafe er nun ausgesetzt ist. Dem weltlichen Herrscher kann er vielleicht noch eine Zeit lang entfliehen, dem Zorn Gottes jedoch nicht. Er weiß auch, dass er seine Taten nicht rückgängig machen kann. Er will aber unbedingt der Nachwelt ein deutlich sichtbares Zeichen seiner ehrlichen Reue hinterlassen.

Clemens bittet also  Michelangelo, ihm einen letzten Wunsch zu erfüllen: In der Darstellung beider Personen im von Michelangelo zu erstellenden Wandfresko will er sich verewigen lassen. Dort in der Sixtinischen Kapelle, die ihm so am Herzen liegt, will er sich im Wandfresko zum „Jüngsten Gericht“ als erkennbare Person verewigen lassen: er, als Clemens VII. Sein Ausdruck soll der eines Fürbitters für die Menschheit sein, vor die er sich rettend stellen will, auch wenn er dafür geopfert werden sollte!  

Dafür verspricht er ihm eine sofortige Auftragserteilung zum sofortigen Beginn der Ausmalung mit dem Wandfresko.

Michelangelo reagiert gereizt, aber dennoch mit größtmöglicher Zurückhaltung dem kirchlichen Oberhaupt gegenüber. Es ist der Heilige Vater, der in diesem Moment zu ihm spricht! Auch Michelangelo ist tief dem katholischen Glauben verwurzelt. Auf der einen Seite ist er zwar innerlich empört über das Ansinnen des Papstes ihm gegenüber mit den Methoden eines Erpressers behandelt zu werden, auf der anderen Seite sieht er hier und jetzt die Chance, das von ihm so heiß begehrte Kunstwerk gestalten zu können.

Michelangelo empfindet langsam, aber stetig steigend Freude an der Möglichkeit, die Darstellung des „Jüngsten Gerichtes“ fernab jeglicher liturgischer Überlegungen gestalten zu können. Immer mehr ist er fasziniert von der Idee, dieses Thema zeitgenössisch auf eine konkrete Situation abzustellen: auf hoffnungslose Situation des Papstes und die Ohnmacht der gesamten Kirche gegenüber einer sich häufenden Anzahl offenkundig nicht lösbarer Probleme.

Bis tief in die Nacht hinein zieht sich das Erarbeiten einer konstruktiven Lösung zur bildhaften Darstellung dieser Misere hin.

Den Papst quälen diese Gedanken schon lange, aber Michelangelo findet schließlich in der langen Diskussion den Weg einer sinngebenden Darstellung, die er Michelangelo vorschlägt:

„Aus der bereits geplanten Figur des heiligen Petrus (rechts von Christus) soll nach seinem Willen er, der jetzige Papst, Clemens VII. mit ´seinen eindeutig erkennbaren Gesichtszügen werden. Während alle anderen Figuren des Freskos in ihrem Schrecken verharren, wird Clemens VII. die einzige handelnde Person vor diesem Schreckensszenario sein in dem er dem Weltherrscher die an Petrus verliehenen Schlüssel in unbrauchbarem, zerbrochenem Zustand, (der den zerbrochenen Zustand der Welt symbolisieren soll) wieder zur Rückgabe anbietet. Clemens VII soll bei der Darstellung im Fresko für Christus symbolisch 2 Schlüssel bereithalten: einen zerbrochenen (mit dem der göttliche Auftrag an Petrus nicht mehr erfüllt werden kann und einen zweiten, noch gebrauchsfähigen Schlüssel.“

Damit gäbe Michelangelo dem ursprünglich hoffnungslosen Endzeitszenario doch noch eine letzte Chance auf Hoffnung für die Rettung der Menschheit. In der rechten Hand wird der Papst einen silbernen Schlüssel bereithalten, dessen Bart beschädigt und der Griff abgebrochen ist. In der linken Hand jedoch einen goldenen, völlig intakten Schlüssel, den er Gott näher anreicht als den eher zurück gehaltenen zerstörten Schlüssel. Damit setzt Michelangelo Clemens VII. nicht ein Denkmal, sondern erhebt ihn zum zeitgenössischen Fürbitter für die Rettung der Menschheit.

Michelangelo läuft zur schöpferischen Hochform auf: er erinnert sich an seinen Künstlerfreund Benvenuto Cellini, der von Clemens VII. bereits 1529 mit der Anfertigung einer speziellen Goldmünze beauftragt worden war. Auch beim Entwurf dieser Münze hatte Clemens VII. sein eigenes Abbild und seinen Namen auf der Vorderseite dieser Münze gewünscht. Das Motiv: zusammen mit Karl V. stützen Papst und Kaiser das Kreuz Jesu, das umzustürzen droht.

Diese Münze diente nicht nur als Zeichen für die Versöhnung von kirchlicher und weltlicher Macht nach der verheerenden Zerstörung Roms durch die Truppen Kaiser Karls V., sondern sie war vor allem ein deutliches Signal an die Mächtigen dieser Zeit: nur beide gemeinsam – christliche und weltliche Macht – können die große Aufgabe, den Erhalt des Christentums, erfüllen.

Was also war naheliegender, als auf dem Fresko noch einer zweiten Person ebenfalls ein wahres Gesicht zu geben: das von Kaiser Karl V. !

Auch wenn sich Clemens durch die Vermählung Catharinas derzeit mehr an Franz I. gebunden hatte, war diese Idee Michelangelos an Genialität nicht zu überbieten:  Karl V. hatte ihn zwar immer wieder brüskiert und vor den Kopf gestoßen. In Wahrheit hatte aber Clemens in seiner ständigen Wankelmütigkeit diese Reaktionen Karls V. selbst verschuldet. Hätte er sich klar zu Karl bekannt, wäre dem Vatikan und ihm selbst viel Leid erspart geblieben. Jetzt aber – am Ende seines Pontifikates – sich endgültig zu Karl V. und dessen Politik zu bekennen, war ein letzter entscheidender Schritt im Leben Clemens V. Die Form des Bekenntnisses selbst in grandioser Form bis zum „Jüngsten Gericht“ an der Altarwand der Sixtina verewigt. Deutlicher konnte Clemens VII. seine eigene Wandlung vom „Saulus zum Paulus“ der Welt nicht zeigen. Wenn auch nur „posthum“. Dann aber in aller Bescheidenheit und Demut!

Michelangelo verspricht also dem Heiligen Vater leichten Herzens, die Ausführung des Fresko genauso zu gestalten, wie in dieser Nacht vereinbart:

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